Dienstag, 14. Mai 2013

10 Tage in Schweigen gehüllt

Ich habe nun das Kloster seit ein paar Tagen hinter mir und meinen Kopf wieder auf die "normale" Welt eingestellt. Wobei ich mit nicht mehr so sicher bin was nun eigentlich normal ist oder und was nicht :) Es war doch eine sehr tiefgehende Erfahrung die ich erst einmal ein wenig verdauen musste. Ich habe die 10 Tage komplett durchgehalten aber es hat mich einiges an Kraft gekostet. Man befindet sich besonders in den ersten Tage, im ständigen Kampf mit seinem Geist. Aber der Reihe nach.

Anreise ins Kloster

Die Anreise hat leider nicht so problemlos funktioniert wie ich es gern gehabt hätte. Der Nacht-Zug den ich  gebucht hatte ist tatsächlich pünktlich an meinem Zielbahnhof angekommen, was wirklich nicht die Regel ist. Damit konnte ich natürlich nicht rechnen und ich befand mich zu dem Zeitpunkt leider noch im Tiefschlaf :) Meisten wird man auch vom Personal geweckt wenn man am Zielort ist, was aber leider auch nicht der Fall war. So bin ich 3 Stunden lang in die falsche Richtung gefahren bis ich endlich wach genug war um zu merken was eigentlich los ist. Ich bin dann am nächsten Dorf-Bahnhof ausgestiegen und hab mir mit Händen und Füßen ein Ticket für die Rückfahrt organisiert. Der Zug sollte in einer Stunde kommen, kam aber erst nach 3, wie es halt eigentlich auch üblich ist. In dieser Zeit wurde mir noch kurzzeitig meine Festplatte entwendet, welche ich aber mit allerhand Aufwand zurück erkämpft habe. Aber das ist eine Geschichte für sich.
Insgesamt habe ich am Ende 24 Stunden bis ins Kloster gebraucht und war heil froh das ich mir schon einen Tag früher Zeit für diese Anreise genommen habe. Ich schlief die Nacht dann bereits dort (auf einem Betonbett mit Holzkissen) und schrieb mich am darauf folgenden Tag für das `Silent Retreat´ein. Silent Retreat bedeutet so viel wie stiller Rückzug.

Der Verlauf des "Silent Retreats" 

Ich werde mich so kurz wie möglich fassen da ich sonst wahrscheinlich mehrere Einträge schreiben müsste. Trotzdem kann ich es wohl kaum so wieder geben wie es wirklich war, was ich gelernt habe über mich und auch den Buddhismus, die Emotionalen Zustände etc. Man muss es selbst einmal erfahren.

Wenn es wirklich jemand vorhat sollte er den Eintrag wohl besser nicht lesen da es meiner Meinung nach, am besten ist vollkommen unvoreingenommen an die Sache ran zu gehen.

In den ersten beiden Tagen fand ich alles noch total super und aufregend. Das frühe Aufstehen, im dunklen bei Kerzenlicht in der Gruppe meditieren, die Natur, das "nicht-sprechen-dürfen", das Holzkissen und mein Steinbett  etc. Am dritten Tag allerdings begann dann aber die emotionale Achterbahnfahrt. Meine Stimmung ging täglich immer weiter bergab bis ich am Ende des fünften Tag den sog. Rock Bottom (Tiefpunkt) erreichte. Der Geist spielt während dieser Zeit total verrückt und wirft einem alle möglichen Ausreden entgegen warum man diesen "gottverdammten" Ort verlassen sollte. Eigentlich will man das doch gar nicht, man könnte jetzt doch so viel bessere Sachen machen! Das ganze kann einfach nicht gesund sein! warum willst du überhaupt meditieren, was erhoffst du dir davon? Du hast doch eh nicht die Motivation um es später weiter zu machen etc. etc. etc. So geht es quasi die ganzen Tage dahin und man kann sich bei keinem beschweren, wie man es sonst immer macht wenn irgendwas nicht so gut läuft. Ich glaube wenn wir in dieser Zeit nicht täglich Führung von den Mönchen und Angestellten bekommen hätten, hätte ich abgebrochen. Sie machen einem immer wieder klar das es normal ist und man einfach weiter machen soll. Das hab ich dann auch "einfach" gemacht. Am Ende des fünften Tages wollte ich dann nur noch ins Bett um meinen Gedanken zu entfliehen. Man spürt quasi wie das Gehirn mehr und mehr seinen halt verliert wenn die ganzen kurzweiligen Bedürfnisse die man sonst so hat, nicht befriedigt werden.
Am Morgen des sechsten Tages hatte ich dann einen kleinen Durchbruch während der Yoga-Stunde. Ich schaffte es für ein paar Minuten mich nicht über alles zu beschweren, mich nur auf die Übungen zu konzentrieren und hatte plötzlich einen glasklaren Verstand. Das beflügelte mich derartig das ich fast den ganzen Tag wie auf Drogen erlebte. Alles war super, das meditieren machte Spaß, die schmerzen in Rücken und Hüfte waren nicht mehr so schlimm, das Gras war grüner, die Blumen leuchteten und die heißen Quellen fühlten sich an wie der Himmel auf Erden. Als das Gefühl gegen Abend dann wieder abflaute und ich wieder normal wurde war ich allerdings genau so erschöpft wie an den schlechten Tagen zuvor.
Am Morgen des siebten Tages fühlte ich mich endlich einmal ausgeglichen, was eine echte Wohltat war nach dem emotionalen rauf und runter. Kurz darauf begann aber schon die zweite Talfahrt die sich bis zu Tag neun hinzog. Allerdings war diese nicht mehr ganz so extrem. Wahrscheinlich weil ich schon wusste was auf mich zu kam. In den negativen Phasen sind die "Dhamma Talks", in welchen die buddhistischen Mönche einem über den Weg zur Buddhaschaft aufklären und Tipps zur Meditation geben, immer kleine Lichtblicke. Sie sind  meistens sehr interessant und man kann einfach nur zu hören und muss nicht mit seinen Gedanken ringen. An Tag neun war dann der Abschluss-Talk des englischen Mönchs auf den ich mich schon besonderst freute. Ihn verstand man einfach am besten und er hatte diesen typischen, schwarzen englischen Humor, was seine Vorträge zu etwas besonderem machte. Ich hatte die Nacht über nicht viel geschlafen, auch wenn ich mich bereits an den Komfort meiner Betonfläche mit Holzkissen bereits gewöhnt hatte. (Es ist bei weitem nicht so schlimm wie man es sich vorstellt und nach 7 Stunden am Boden sitzen mit Rückenschmerzen, freut man sich direkt auf eine etwas härtete Matratze.)
Ich legte mich also nach dem Mittagessen hin und schlief sofort ein. Das ist eigentlich kein Problem da die Glocke, die einem zur Meditation ruft, in der Regel laut genug ist das man aufwacht. Fall´s man doch verschläft wecken einen die Betreuer bevor der ebenerdige Gebäudekomplex abgesperrt wird. Ich muss wohl ziemlich tief geschlafen haben denn als ich endlich wach wurde und aus meinem Zimmer ging sah ich das die Zimmer der anderen bereits verschlossen waren. Genau so auch das Tor am Eingang. Ich war eingeschlossen! Ich hatte die Glocke überhört und die Betreuer hatten mich bei ihrem "Schlafmützen-Rundgang" übersehen. Das war der Moment als ich zum zweiten mal Bekanntschaft mit "Rock-Bottom" machte. Der Dhama talk, das einzige auf was ich mich den ganzen Tag gefreut hatte wurde mir so mit nun auch noch verwehrt. Zu dem bekamen wir an Tag neun nur eine Mahlzeit und der Hunger hob meine Stimmung nicht gerade.
"Heute wollen wir wie echte Mönche leben" haben sie gesagt, "am A_ _ _ _!" habe ich mir in dem Moment gedacht. :) Ich versuchte mich am Gatter bemerkbar zu machen, was allerdings vergebens war. Die Meditationshallen waren zu weit weg und jeder wollte natürlich den englischen Mönch hören. Nach ein paar Minuten konnte ich dann wieder die Oberhand über meinen verärgerten Geist erlangen und versuchte einfach das Beste daraus zu machen. Ich wusch meine Wäsche und setzte mich in den Innenhof und meditierte. Zu meinem Erstaunen gelang es mir ziemlich gut und ich hatte einen kleinen Durchbruch und von da an war schlagartig alles wieder super toll.
Nach 20 min kam unser Yogalehrer und schloss mein "Gefängnis" auf. Es war kein Problem und ich bin auch bestimmt nicht der erste dem das passiert ist. Den Mönch hatte ich zwar verpasst aber das war jetzt nicht mehr so wichtig. Ich war wieder im Hippie-Modus. Das Gras war wieder Grün, der Himmel strahlend blau und die die Natur schien nur für mich zu existieren. Der Rausch der Gefühle hielt aber Gott sei dank nur ein paar Stunden an ehe ich wieder Ausgeglichenheit einstellte. Man durchläuft wirklich abwechselnd Himmel und Hölle und keines von beiden macht am Ende wirklich Spaß.
Genau das ist es was man aber erreichen will. Man soll in dieser Zeit alle möglichen emotionalen "Körper" erleben. Jeder Zustand wird in den Übersetzungen der Buddhistischen Schriften als eigene Verkörperung des Ichs oder Egos angesehen. "You have to expierience all bodies". Ich weis jetzt was damit gemeint ist :) In den letzten Tagen merkt man aber dann wie die Wogen sich allmählichen Glätten, das Verlangen nach all dem was außerhalb der Klostermauern auf einen wartet, ebbt langsam ab und man nähert sich seinem sog. Urzustand an. Um den dreht sich der ganze Spaß nämlich im Prinzip.
Am zehnten Tag weichte unser üblicher Tagesplan ein wenig ab. Natürlich begann er wie die anderen um 4 Uhr Morgens mit Meditation und Yoga aber am Nachmittag mussten wir unsere "Schweiß-Schuld" dem Kloster über begleichen, wie es Tan Medi der zuständige Mönch ausdrückte. Das muss jeder machen der an diesem Retreat teil nimmt. Wir folgten ihm in den Jungle, wo wir einen Weg zu einer der kleinen Betonhütten der Mönche mit Sand auslegen mussten. Diese sind im Wald verteilt und dienen den Mönchen als isolierte Wohnräume.
Am Abend nach der üblichen Teestunde, hatte dann noch jeder die Möglichkeit der gesamten Gruppe (insgesamt waren es ca. 50 - 60 Leute) seine Erfahrungen der vergangen Tage mitzuteilen. Da dies über das Mikrofon bzw die Lautsprecher der Meditationshalle erfolgte, dachte ich eigentlich das es so gut wie keiner machen würde. Genau das Gegenteil war aber der Fall. Es wurden so viele Erfahrungen und Geschichten geteilt das der Angestellt des Klosters am Ende die Sache beendete weil es sonst zu spät geworden wäre. Ich hätte aber noch Stunden zu hören können. Man hat die ganze Zeit über keine Ahnung wie es den Anderen geht und malt sich immer aus das es ihnen weit aus besser geht als einem selbst und hat den Eindruck das sie wesentlich professioneller aussehen. Es tat einfach gut zu hören das man nicht allein gelitten hat :)

Ich glaube am besten lässt sich das Retreat so beschreiben, wenn man sich vorstellt das über einem ein Schwamm ausgewunden wird, der vollgesaugt ist mit allen möglichen Zuständen die der menschliche Geist so auf Lager hat. Allerdings kann man nicht wie sonst einen Schritt zur Seite gehen in dem man seine Sorgen anderen Menschen mitteilt und sich so seine Lasten von der Seele redet. Man hat nur die Möglichkeit alles mit sich selbst aus zu machen und irgendwann erkennt man das kein Zustand von Dauer ist und all Gefühle, positiv wie negativ, nur in einem selbst statt finden und man die Wahl hat sich darüber aufzuregen oder sie einfach ziehen zu lassen. Es hört sich vielleicht trivial an aber für mich war das eine der großen Erkenntnisse die ich mitnehme. Auf jeden Fall hat es sich gelohnt diese Strapaze auf sich zu nehmen und ich könnte mir gut vorstellen es noch einmal zu machen... irgendwann mal :)


Der Schlafplatz für die Männer.

Naturell gab es wirklich einiges zu entdecken.

Miditationshalle 5 die wir hauptsächlich nutzten.

Die heißen Quellen, eine Wohltat für die verspannte Muskulatur.

Die Klosterführung am Ende des Retreats mit dem lustigen Mönch Tan Medi.

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